Vor fast 20 Jahren machte sich der Entwickler Croteam mit der Marke “Serious Sam” einen Namen. Man hätte damals auch einfach dazu sagen können, dass der Titel ein absolut hirnfreier Gore-Shooter sei - und das im positiven Sinne. Gerade damals war es eine Besonderheit, dass der Spieler in der Rolle von Samuel “Serious” Stone mit unzähligen Gegnern auf dem Bildschirm gleichzeitig zu tun hatte. Und nun ist es noch gar nicht so lange her, da lieferten wir euch einen Tellerrand-Test zu Serious Sam 4, nichtsahnend, dass die Reihe seit dem Nintendo GameCube schon bald wieder zu Nintendo zurückkehrt.
Es ist zu ahnen, dass der Maler gleich seine Arbeit verrichtet.
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Leider verlief die Veröffentlichung der Serious Sam Collection in Europa nicht ganz nach Plan. Am 17. November hätten wir uns eigentlich ins Gefecht stürzen sollen, doch das Spiel wurde unmittelbar nach der Bereitstellung auch schon wieder aus dem Nintendo eShop genommen, denn laut Devolver Digital musste die Alterseinstufung erneut überprüft werden. Inzwischen hat es der Titel aber wieder an die Öffentlichkeit geschafft. Eine alternative Möglichkeit hätte es auch nicht gegeben, denn das Spiel ist ausschließlich als Download erhältlich.
Die Serious Sam Collection umfasst drei Teile mitsamt Zusatzinhalten und damit alle auf der Nintendo Switch umsetzbaren Spiele, die auch über Serious Sam Fusion erhältlich sind. Das wären die ca. zehn Jahre alten HD-Neuauflagen “Serious Sam HD: The First Encounter” (folgend TFE:HD) und “Serious Sam HD: The Second Encounter” (folgend TSE:HD), sowie das darauf erschienene Spiel “Serious Sam 3: Before First Encounter” (folgend BFE). Ihr habt schon richtig erfasst: Die HD-Remakes sind bereits jetzt so alt wie die Originaltitel zur Zeit ihrer Remakes. Und ebenso richtig erfasst: Serious Sam 2 fehlt. Warum? Das Problem obliegt einer technischen Hürde, da die Engine von Serious Sam 2 völlig veraltet und mit Serious Sam Fusion – infolge dessen auch mit der Serious Sam Collection – inkompatibel ist. Das Spiel würde eine Neuauflage benötigen, mit der wir hoffentlich früher oder später rechnen können. Alle Titel der Serious Sam Collection sind in erster Linie First-Person-Shooter, können aber aber auch aus der dritten Perspektive gespielt werden.
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts entdeckte die Menschheit Artefakte einer uralten Rasse, die Sirianer. Ihre Technologien verhalfen den Menschen zu einem rasanten Sprung, der innerhalb kürzester Zeit sogar Weltraum-Reisen ermöglichte. Zirka 100 Jahre lang besiedelten sie Planeten fernab, bis eine außerirdische Armee auf sie aufmerksam wurde: Mentals Horde. Es dauerte nicht lang, bis die Menschheit wieder zur Erde zurückgedrängt wurde und dieser nun die Vernichtung droht. Nur das Zeitschloss, ein weiteres sirianisches Artefakt, kann das schlimmste Szenario abwenden. Dafür nimmt die Menschheit den besten Soldaten der Earth Defense Force (EDF), Sam Stone, und schickt ihn in die Vergangenheit.
Einer gegen alle
Auch wenn Serious Sam seit jeher eine Handlung erzählt, die in ihren Details auch nicht einmal uninteressant ist, so ist diese schon immer zweitrangig gewesen. Hals-über-Kopf stürzt ihr euch in verschiedenen Leveln mit linearem Aufbau von einem äußerst blutigem Gemetzel ins nächste, um Mentals Horde ihre Grenzen aufzuzeigen – geschmückt von gegnerischen Patrouillen, die euch auch mal in geringerer Zahl über den Weg laufen. Das interne Ziel des Spiels ist es, euch nicht einfach nur mit der gegnerischen Stärke, sondern eher durch die Anzahl der Gegner zu überfordern. Um mit der Horde fertig zu werden, sammelt sich dabei ein stetig wachsendes Waffenarsenal an – eine Knarre tödlicher als die andere. Doch auch die Monster sollten nicht unterschätzt werden. Natürlich sorgt schon die schiere Menge an sich für Probleme , doch immer wieder seid ihr mit einer größeren Kreatur konfrontiert – anfangs gerne auch als Boss inszeniert, nur um diese dann im nächsten Level dann auch als regulären Gegner zu bekämpfen.
Ein Klassiker für sich: Individuelle Gewaltdarstellung. Bestimmt hat jeder schon einmal ein Kolosseum in ein Blumenfeld verwandelt.
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Auch der Humor kommt in Serious Sam nicht zu kurz. Viele Aktionen begleitet Sam mit einem flotten Spruch auf den Lippen, oder auch gleich eine Anspielung auf die eine oder andere bekannte Serie. Außerdem gibt es unzählige Geheimnisse zu finden. Einige belustigen euch auch in Form von Easter Eggs – und wenn es die Entwickler selbst sind – oder bescheren euch neben Gesundheit und Munition zusätzlich noch Waffen, die ihr sonst erst im späteren Spielverlauf erhalten hättet. Der Humor gehört ebenso zu den Stärken der Reihe, die Serious Sam bis heute seinen Ruf eingebracht hat. Das spiegelt sich nicht nur in Sprüchen und Aktionen wieder, sondern auch in der Darstellung: Serious Sam ist üblicherweise ein Gore-Shooter; Blut und Leichenteile sind hier keine Seltenheit. Falls ihr aber doch mal etwas empfindlicheres Publikum dabei haben solltet, oder euch etwas mehr amüsieren wollt, könnt ihr in den Einstellungen die Gewaltdarstellung manipulieren. Mit dabei: Süßigkeiten (“Kinder”) und Blumen (“Hippie”) soweit das Auge reicht!
Serious Sam ist grundsätzlich ein sehr klassischer Shooter. So erkundet und durchlöchert ihr zwar von Kapitel zu Kapitel größere Areale, allerdings keine offene Welt. Vor allem in TFE:HD und TSE:HD sind viele Mechaniken anders als heute üblich. Waffen werden zumeist ohne Visiere eingesetzt (ausgenommen das Scharfschützengewehr), auf Sprinten wird ebenfalls verzichtet und eure Lebensenergie sowie eure eventuelle Rüstung, sind in Zahlenwerte angegeben, die sich nicht automatisch regenerieren. Serious Sam 3: BFE bricht dahingehend allerdings einige Regeln. Hier wird der gute alte Horden-Shooter mit einigen modernen Mechaniken versehen. Zwar bleibt die statische Gesundheit, aber manuelles Zielen mitsamt Visiere und Sprints sind erlaubt. Zudem ist das Storytelling in einer moderneren Aufmachung als noch in den HD-Remakes.
Um euch zu regenerieren - oder auch um Munition, Waffen und andere Power-Ups aufzufrischen – sammelt ihr eine Menge Gegenstände ein, die in der Umgebung verteilt liegen. Obacht: Wenn ihr in einem Raum mit Waffen oder einer Menge an Munition ausgestattet werdet, gibt es in der Regel im selben oder nächsten Raum einen guten Grund dafür - Veteranen sind instinktiv mit dieser Vorahnung ausgestattet. Serious Sam verleiht “Platzangst” wahrlich eine neue Definition. Aber man kann es sich ja schon denken: Wenn eure Munitionsvorräte einmal auf’s Maximum aufgestockt wird, behaltet ihr sie meistens nicht lange bei euch.
Diese Verteidigungsanlagen sind darauf programmiert, auf alles Bewegliche zu schießen. Meistens sind es auch die richtigen Ziele...
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In allen Spielen dient euch “Netriksa” als persönliche, digitale Assistentin zur Informationsbeschaffung, Aufklärung und Kampfunterstützung. Letztendlich ist “Nettie” lediglich ein Verzeichnis mit Informationen über Areale, Missionszielen, Gegnern und Waffen. Wo ist der Museumseingang? Wer sind die Aludrischen Reptiloiden? Wie hoch ist die Feuerrate des Sturmgewehrs? Das Menü liefert euch sicherlich ein paar nützliche Hinweise, aber relevant ist diese Funktion nicht. Alles, was ihr wissen müsst, findet ihr auch von selbst heraus. Wer allerdings gerne liest und einige interessante Hintergrundinfos erfahren möchte, wird durchaus einiges an Zeit in die Enzyklopädie hineinstecken können.
Zugegeben, ich bin in der Reihe bis auf ein paar Ausnahmen immer Solo unterwegs gewesen, doch der Mehrspielermodus gehört zu den wichtigsten Funktionen der Serie. Die Serious Sam Collection erlaubt es euch, alle enthaltenen Kampagnen kooperativ mit bis zu vier Spielern zu absolvieren. Das Spiel passt die Regeln hinsichtlich der Spielerzahl an. Der kompetitive Mehrspielermodus ist hingegen eine kleine Zugabe: Hier bekämpfen sich bis zu vier Spieler in Arenen, die auf Arealen der Kampagnen basieren. Die Serious Sam Collection erlaubt den Multiplayer sowohl kooperativ als auch kompetitiv über einen geteilten Bildschirm oder online. Online-Lobbys scheinen allerdings eine Rarität zu sein, da ich bislang keine finden konnte. Sprecht euch also am besten ab. Leistungsbedingt gibt es für den geteilten Bildschirm leider einen Haken, doch dazu komme ich gleich.
Eine kleine Highscore-Jagd erlaubt euch der Überlebensmodus. Seht es als einen kleinen Zeitvertreib. Hier metzelt ihr euch in eingeschränkten Arealen durch Mentals Horde. Euer Tod: Unausweichlich, hier geht es rein um die Zeit. Je länger ihr über null Lebenspunkte bleibt, desto besser stehen eure Chancen auf einen Platz in den Bestenlisten. Ja, auch dieser Modus kann kooperativ gespielt werden.
Eigentlich gilt der Mehrspielermodus als eine der größten Stärken der Reihe.
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Die älteren HD-Serious Sam-Spiele auf der Nintendo Switch? Das klingt für die Technik doch eigentlich nach einem Idealfall. Dieser Aussage kann man allerdings skeptisch gegenüberstehen. Erst einmal: Die Serious Sam Collection erlaubt euch zwischen einem Leistungsmodus für mehr FPS und einem Qualitätsmodus mit höherer Auflösung und weiteren grafischen Details zu wechseln. Egal, welchen Modus ihr verwendet: TFE:HD und TSE:HD laufen in fast allen Situationen sehr geschmeidig. Und egal, welchen Modus ihr verwendet: BFE macht euch in fast allen Situationen technische Probleme. Das liegt daran, dass BFE technisch komplexer angelegt ist und dessen Umgebungen deutlich detailreicher ausfallen. Hier rede ich nicht nur von FPS-Einbussen, die das Spiel oftmals mit weniger als 30 Bildern die Sekunde wiedergeben, auch die Objektverdeckung hat einige Schwierigkeiten (verspätetes Rendern von Objekten, die kurz zuvor hinter anderen Objekten versteckt waren). Auch Zwischensequenzen haben manchmal ihre Probleme mit der Synchronisierung zwischen Audio und Video. Für Serious Sam 3: BFE empfehle ich hauptsächlich den Leistungsmodus, da dieser stellenweise zumindest noch für ein etwas flüssigeres Gameplay sorgt.
Dazu kommen Abstriche beim Mehrspielermodus mit geteiltem Bildschirm. Je nach ausgewähltem Spiel und der Grafikeinstellung erlebt ihr das Geschehen mal eher in 30, dann wieder eher in 60 FPS. Von Serious Sam 3 (inkl. “Das Juwel des Nils”) ist bei geteiltem Bildschirm leider abzuraten, da es selbst im Leistungsmodus immer noch große Probleme macht. Allgemein gilt, dass ihr noch ein paar Abzüge der Leistung in Kauf nehmen solltet, falls ihr mit geteiltem Bildschirm spielt. Im Handheld- oder Tischmodus läuft das Spiel vergleichsweise flüssig. Die Bildrate der Serious Sam Collection ist variabel und versucht 60 FPS als Ziel zu setzen. Das funktioniert immerhin in den HD-Remakes einigermaßen, vor allem, wenn ihr alleine spielt. Sollte sich eine Veröffentlichung einer leistungsstärkeren Nintendo Switch bewahrheiten, würde die Serious Sam Collection durchaus davon profitieren.